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Everest Expedition 2017

Vor der Abreise

Interview von Stefan Nestler | Blog Abenteuer Sport Deutsche Welle

Ralf Dujmovits: „Mein definitiv letzter Everest-Versuch“

(Dispatch in English please see below)

 

Sag niemals nie! Das ist nicht nur der Titel eines alten James-Bond-Films, sondern könnte auch über der persönlichen Geschichte Ralf Dujmovits‘ am Mount Everest stehen. Dabei hatte der erste und bisher einzige Deutsche, der auf allen 14 Achttausendern stand, den höchsten Berg der Erde gleich bei seinem ersten Versuch im Herbst 1992 bestiegen. Wegen des schlechten Wetters hatte er oberhalb des Südsattels jedoch zu Flaschensauerstoff gegriffen. „Ich war damals noch sehr jung. Es war ein Fehler“, sagt Ralf heute.

Die anderen 13 Achttausender bestieg er schließlich allesamt ohne Atemmaske. Und so versuchte er hinterher immer wieder, diese Everest-Scharte auszuwetzen. Vergeblich. 1996, 2005, 2010, 2012, 2014 und 2015 kehrte er, aus unterschiedlichen Gründen, ohne Gipfelerfolg zurück. In diesem Frühjahr will es der 55-Jährige noch einmal wissen. Zum achten Mal reist er zum Mount Everest, zum fünften Mal auf die tibetische Nordseite des Bergs. Zuvor will er sich in Nepal mit seiner kanadischen Lebensgefährtin Nancy Hansen bei einer Besteigung des 6501 Meter hohen Cholatse im Khumbu-Gebiet vorakklimatisieren. Ralf ist inzwischen in Kathmandu eingetroffen. Ich habe unmittelbar vor seiner Abreise mit ihm gesprochen.

 

Ralf, der Everest und du – man könnte fast sagen, ihr habt eine Beziehung.                       

 

Ja, klar. Wenn man so oft dort unterwegs war – es wird jetzt das achte Mal sein –, dann entsteht ein fast schon persönliches Verhältnis. Aber ich genieße das auch ein Stück weit. Ich bin immer gerne am Everest unterwegs gewesen. Ich freue mich auch jetzt. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin ein bisschen nervös, weil ich mir wirklich fest vorgenommen habe, dass es diesmal definitiv das letzte Mal ist. Das habe ich auch meinen Freunden gesagt.

 

Und alle haben gelacht.

Zunächst ja. Aber dann haben sie mich doch noch für voll genommen, als ich es wieder und wieder bestätigt habe: das definitiv letzte Mal! Insofern möchte ich mir jetzt mit meinem Partner Everest noch mal alle Mühe geben und dann hoffentlich auch hinauf kommen.

Du wirst jetzt zum achten Mal dort sein. Wird man da lockerer oder verkrampfter?

Obwohl ich derzeit etwas angespannt bin, werde ich wohl bei der Besteigung etwas lockerer sein. Ich hatte einige Jahre, in denen ich schon mit einer gewissen Verkrampftheit an die Nordwand gegangen bin. Das hat aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Anschließend wollte ich in den letzten Jahren unbedingt die Messner-Variante. [Bei seiner Solo-Besteigung 1980 querte Reinhold Messner ins Norton-Couloir und stieg von dort aus zum Gipfel.] Auch das hat nicht geklappt. Ich habe mir jetzt gesagt, ich gehe ganz entspannt über den tibetischen Normalweg. Und alles Weitere wird man dann sehen.

 

Aber du wirst diesmal nicht alleine aufsteigen.

Alleine sowieso nicht. Am Everest bist du nie alleine. Ich werde am Berg gemeinsam mit dem Rumänen Horia Colibasanu unterwegs sein. Wir werden uns wahrscheinlich dort oben auch das Zelt teilen. Ich habe zudem einen Sherpa engagiert, der für mich eine Flasche Sauerstoff mitträgt. Wenn ich merken sollte, dass es für mich dort oben ungesund wird, würde ich unter Umständen auch Sauerstoff nehmen und dann aber auch sofort absteigen. Das heißt, der Sauerstoff ist wirklich nur für den Abstieg, auf keinen Fall für den weiteren Aufstieg.

 

Wäre es eine Variante, ohne Flaschensauerstoff auf- und dann mit Atemmaske abzusteigen?

Nein, mein Ziel ist natürlich, ohne Sauerstoff hinauf und wieder herunter. Aber ich will mir einfach diese Option offen halten. Der Italiener Abele Blanc war 2010 ein paar Tage älter, als er damals bei seiner Besteigung mit über 55 Jahren ohne Sauerstoff auf dem Gipfel war. Ich wäre, wenn es klappen sollte, der Zweitälteste. Ich merke inzwischen: Das ist für mich in meinem Alter ein wirklicher Grenzgang. Ich will einfach eine gewisse Reserve, beziehungsweise ein kleines Backup mit dabei haben.

Ist das ein bisschen wie Autofahren mit Sicherheitsgurt?

(lacht) Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich glaube, Autofahren mit Sicherheitsgurt ist allgemein üblich geworden. Das gilt inzwischen auch für das Bergsteigen mit Sauerstoff an den Achttausendern. Leider. Ich sehe es eher so, dass ich bewusst versuche, den Sicherheitsgurt wegzulassen. Ich werde die Hand aber am Gurt haben und würde ihn mir im letzten Moment noch ziemlich schnell umschnallen.

 

Empfindest du das selbst als Stilbruch?

Es mit Sicherheit ein Stilbruch, ein Backup mitzunehmen. Es ist nicht die gängige Variante, aber es ist mir jetzt egal, weil ich diesen Weg für mich zu Ende bringen will. Ich freue mich darauf und kann es für mich akzeptieren. Ich habe eine Weile mit mir gerungen, aber inzwischen ist es für mich so in Ordnung. Da kann mir hinterher oder vorher oder wann auch immer jemand erzählen, was er will. Für mich passt das so. Und da ich niemandem damit weh tue, sollte das auch in Ordnung sein.

 

Alle erwarten, dass es in diesem Frühjahr am Everest richtig voll wird. Nicht nur auf der nepalesischen, auch auf der tibetischen Seite werden wohl deutlich mehr Bergsteiger unterwegs sein als sonst. Du kennst das. Es wird dich wahrscheinlich nicht großartig beeindrucken, oder?

Ich werde mich zuvor noch mit meiner Partnerin an einem Sechstausender in Nepal in Ruhe vorakklimatisieren. Ich will den großen Massen damit ein wenig entkommen. Ich reise dann relativ spät ins vorgeschobene Basislager und werde wahrscheinlich damit von dem großen Massenaufstieg gar nicht mehr so viel mitbekommen. Natürlich werden, wenn es Richtung Gipfel geht, parallel sehr viele unterwegs sein. Aber auch das wird mich nicht sehr scheren, weil ich nicht so früh starten kann, wie es die meisten machen, die mit Sauerstoff unterwegs sind. Inzwischen sind ja Startzeiten von zehn, elf Uhr abends üblich. So früh kann ich einfach nicht starten, sonst würde ich dort oben zu sehr auskühlen. Ich muss die Sonne in Anspruch nehmen, die mich hoffentlich ein bisschen unterstützen wird.

 

Das klingt, als würdest du dieselbe Taktik wie Ueli Steck wählen, der auf der Südseite das erste Wetterfenster verstreichen lassen will, damit es nicht mehr ganz so voll am Berg ist.

Wenn sich nur in Ansätzen abzeichnet, dass sich ein zweites Wetterfenster entwickelt, würde ich wahrscheinlich auch darauf spekulieren. In aller Regel war es wirklich so, dass während des ersten Wetterfensters einfach zu viel Betrieb war. Und ich muss einfach genau mein Tempo gehen können. Zu langsam wäre nicht gut, da kühle ich aus. Zu schnell kann ich auch nicht gehen, weil ich dabei zu viel Wärme abatmen würde. Ich muss genau meinen Stiefel gehen. Und das kann ich nur, wenn ich mir mein Tempo aussuchen kann.

 

Bei deinem letzten Versuch 2014 – 2015 mit dem Erdbeben in Nepal lasse ich jetzt mal außen vor – bist du bis nach Lager drei auf 8300 Metern gekommen. Damals hast du selbst gesagt: „Ich habe Fehler gemacht.“ Hast du daraus gelernt?

Ich denke schon. Ich hatte damals ein zu leichtes Zelt mit dabei, ein einwandiges, das gerade mal ein Kilo gewogen hat. Es hat in der Nacht ziemlich stark geblasen. Ein weiteres Problem war, dass ich ein nasses Feuerzeug hatte und mir deshalb nicht genug zu trinken machen konnte. Gescheitert ist es dann aber letztlich daran, dass es morgens zu starken Wind gab. Darauf werde ich keinen Einfluss haben. Aber für alle anderen Dinge, die ich damals gelernt habe, habe ich hoffentlich diesmal die richtige Variante in petto und hoffe dann, dass zumindest von meiner Seite her alles passt.

Du hast eben gesagt, das ist mein definitiv letzter Versuch am Everest. Ich kann mir das Lächeln nicht verkneifen. Gehen wir also mal davon aus, dass es wirklich das letzte Mal ist. Bist du unter Umständen versucht, deswegen mehr zu riskieren?

 

Ich glaube nicht. Ich kenne mich sehr gut. Ich weiß auch, dass ich umdrehen kann. Das habe ich oft bewiesen, und würde es auch diesmal so machen, wenn es nötig ist. Meine Gesundheit ist für mich nach wie vor das allerhöchste Gut. Diesen Grundsatz, dass ich gesund zurückkommen möchte, werde ich auch bei diesem allerletzten Versuch – selbst wenn du schmunzelst, es wird wirklich der letzte sein – nicht aufgeben. 

 

  

Ralf Dujmovits: “My definitely last Everest attempt”

Never say Never Again! This is not only the title of an old James Bond film but could also stand for Ralf Dujmovits’ personal story on Mount Everest. The first and so far only German, who has scaled all 14 eight-thousanders, had climbed the highest mountain on earth on his very first attempt in fall 1992. Due to bad weather, however, he had used bottled oxygen above the South Col. “I was very young at the time. It was a mistake,” says Ralf today.

After all, he climbed the other 13 eight-thousanders without breathing mask. And so he later tried to wipe out this Everest mistake again and again. In vain. In 1996, 2005, 2010, 2012, 2014 and 2015 he returned without summit success, for various reasons. This spring, the 55-year-old wants to give it a try again. For the eighth time, he will travel to Mount Everest, the fifth time to the Tibetan north side of the mountain. He will acclimatize in Nepal with an ascent of the 6,501-meter-high Cholatse in the Khumbu area, along with his Canadian partner Nancy Hansen. Ralf has now arrived in Kathmandu. I spoke with him shortly before he left to Nepal.

 

Ralf, I think, it's allowed to say, that you and Everest have a relationship.

Yes, of course. If you have been there so often - it will now be the eighth time - an almost personal relationship develops. But I've always enjoyed being on Everest. I also look forward to it now. But I have to say quite honestly, that I’m a bit nervous, because I've really made it clear that this time is definitely the last time. I also told this to my friends.

 

And everyone laughed.

First, yes. But then they took me serious, when I confirmed it again and again: the definitely last time! In this respect, I would now once again like to put effort into my partner Everest, and hopefully I will reach the summit.

You’ll be there for the eighth time. Do you become more relaxed or more uptight?

Although I am a bit tense at the moment, I will probably be a bit more relaxed on the climb. There were some years in which I went to Everest North Face with a certain tension. This didn’t work for various reasons. Afterwards, in the last years, I wanted to take the Messner route. [During his solo ascent in 1980, Reinhold Messner traversed to the Norton Couloir and climbed through it to the summit]. This did not work either. I told myself, I’d now take the Tibetan normal route, quite relaxed. And everything else will be seen.

 

But you won’t climb alone this time.

Not alone, anyway. You’re never alone on Everest. I will be on the mountain along with the Romanian Horia Colibasanu. We’ll probably share the tent up there. I also hired a Sherpa, who will carry for me a bottle of oxygen. If I realize that I get serious health problems, I would, under certain circumstances, use supplemental oxygen and then immediately descend. This means, the oxygen bottle is really only for the descent, in no case for the further ascent.

 

Would it be an option for you to climb up without bottled oxygen and down with breathing mask?

No, my goal is, of course, up and down without supplemental oxygen. But I just want to keep this option open. In 2010, the Italian Abele Blanc was a few days older than me now, when he climbed Everest without bottled oxygen, aged 55. If I am successful, I would be the second oldest. Meanwhile I realize: For me, at my age, this is really pushing the limits. I simply want to have a certain reserve, a small backup.

 

Is this a bit like driving a car with safety belt?

(Laughs) I've never thought about that. I think, driving a car with seatbelt has become common practice. This also applies to mountaineering with bottled oxygen on the eight-thousanders. Unfortunately. I would rather say that I try to omit the safety belt. I will have the hand on the belt and I would fasten it, if necessary, very quickly.

 

Do you consider it as a break in style?

Quite certainly, it’s a break in style to take a backup with you. It is not the usual variant, but I don’t care now, because I want to finish my way. I look forward to it and can accept it for myself. I’ve been struggling with me for a while, but now it's all right for me. Before or afterwards or whenever anyone can tell me what he wants. For me, this fits. And since I don’t hurt anyone, it should be fine.

 

All expect that Everest will be crowded this spring. There will be much more climbers than usual, not only on the Nepalese but also on the Tibetan side. You know have already experienced that. Probably it won’t impress you, will it?

Before I go to Tibet, I will pre-acclimatize along with my partner on a six-thousander in Nepal. Doing this, I want to escape a little bit from the crowds of people. Then I will reach the Advanced Base Camp in Tibet relatively late, so I hope that I won’t get into the mass ascent. Of course, there will also be many climbers on the mountain during my summit push. But that will not affect me, because I can not start as early as most of the people who climb with bottled oxygen. Start times on 10 or 11 p.m. are quite common now. However, I can not start so early, in this case I would cool down too much up there. I have to use the sun, which will hopefully help me a bit.

This sounds like you choose the same tactics as Ueli Steck on the south side of Everest, who wants to let the first weather window pass, so that the mountain is not so crowded anymore.

If it becomes apparent that a second weather window is developing, I would probably also speculate on it. Normally, it has been too busy on the mountain during the first weather window. And I just have to be able to go exactly at my pace. Too slow would not be good, because I cool down. I can not go too fast either, because I would lose too much body heat due to increased breathing.

 

On your last attempt in 2014 – I leave out the 2015 season with the earthquake in Nepal – you reached Camp 3 at 8,300 meters. At that time, you said: “I've made mistakes.” Did you learn from it?

I used a too light tent at that time, a single-walled one, weighing just one kilo. There was pretty much wind at night. Another problem was that I had a wet lighter and so I could not melt enough snow to drink water. However, in the end I failed because there was strong wind in the morning. I will not have any influence on the weather. But for all the other things, I hope that I will have the right options now. So I hope that everything fits, at least from my side.

 

You say, this will be definitely your last attempt on Everest. I can’t help smiling. But let’s assume that it will be really the last time. Are you tempted to take more risks?

I do not think so. I know myself very well. I also know that I can turn around. I have often done and would do it again this time, if necessary. For me, health is still the highest good. I won’t give up this principle of returning safely on my very last attempt – even if you smile, it really will be the last one.